Artikel aus dem Darmstädter Echo 17.2.2007

Briefe Liebender als Chronik einer unruhigen Zeit

JUGENHEIM. „Der Führer ist tot“, beginnt ein Brief Hildegard Halpaaps vom 2. Mai 1945. Zuerst Entsetzen, dann Angst über das was kommen mag, schließlich die Reflektion darüber, wie grausam und ungerecht die Kriegsjahre waren. Jahrzehntelang lagen die Briefe, die Hildegard Halpaap an ihren Mann Herbert schrieb und jene, in denen sie sich mit ihrer Mutter und ihrer Zwillingsschwester Charlotte Hornemann austauschte, im Keller des Hauses der Achtundachtzigjährigen in Jugenheim.

„Vor einigen Jahren fielen sie meiner Tochter und mir in die Hände“, sagt die in Berlin geborene ehemalige Apothekerin. Die Idee entstand, die Briefe für die Kinder und Enkel Halpaaps zu erhalten. „Doch die meisten waren in altdeutscher Schrift verfasst. Das kann ja heute keiner mehr lesen.“ Also schrieb Halpaap über 150 Briefe von rund 750 Briefen – die meisten an und von ihrem vor 19 Jahren verstorbenen Ehemann – auf dem Computer ab. Daraus ist das Buch „Briefe Liebender im Zeichen der Zeit“ entstanden.

Die darin abgedruckten Briefe beleuchten die Zeit zwischen 1945 und 1954, als das junge Paar voneinander getrennt war. „Mein Mann studierte in Braunschweig Chemie, aber ich fand dort keine Arbeit, also ging ich dahin, wo ich Arbeit fand. Wir hatten also sehr lange Zeit nur Briefkontakt.“ Noch bei Kriegsende war ihr Mann als Soldat im Einsatz. Auch da war das Paar, das bereits während des Krieges geheiratet hatte, voneinander getrennt.
Die Briefe geben einen Einblick in den beschwerlichen Alltag der damaligen Zeit. Mal bittet Herbert „seine Hilde“ um ein Päckchen mit Zucker, mal erkundigt er sich wortreich nach dem Befinden der Kinder, die das Paar damals schon hatte.

Die Briefe zeichnen eine persönliche Entwicklung der Halpaaps nach und geben eng am Alltag liegende historische Einblicke. Manche von ihnen wurden über mehrere Tage – ähnlich einem Tagebuch – geschrieben. Sie erzählen von Geldmangel, von der Sehnsucht aufeinander, von gegenseitigem Zuspruch.

„Es ist schön, die Briefe nach all den Jahren wieder einmal zu lesen, sich zu erinnern. Man vergisst so viel von dem was war. Man vergisst vor allem, wie es war, als man jung und verliebt war“, sagt Hildegard Halpaap heute und sitzt dabei an ihrem alten Schreibtisch und schaut in den Garten hinaus.

Über drei Jahre schrieb sie die Briefe ab. „Stundenweise, jeden Tag ein paar“, erzählt sie. „Damals waren die Briefe sehr wichtig für uns. Lange Zeit unsere einzige Verbindung zueinander“, erinnert sie sich. Das nächste Projekt ist in Arbeit: „Ich schreibe die Briefe von und an meine Schwiegereltern ab“, erzählt sie. Ein Buch soll daraus zunächst nicht entstehen. „Ich mache das für die Kinder und die Enkel.“   


„Briefe Liebender im Zeichen der Zeit“ von Hildegard Halpaap, ISBN 3-8334-4683-8.

bux
17.2.2007


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